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Du bist da zum Arbeiten, nicht zum Denken

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Überqualifiziert, der richtige Mensch am falschen Ort.

Was gefällt dir an deinem Job? Was hast du für einen Handlungsspielraum? Durch falsche Entscheide, fehlendem Ehrgeiz und unbeeinflussbaren Umständen, arbeite ich in einem Job, der meinen Fähigkeiten wenig entspricht.

Ich habe eine kaufmännische Lehre und über die Jahre zahlreiche Weiterbildungen in der Informatik und Administration abgeschlossen. Jetzt arbeite ich als Kundenassistent. Daneben erledige ich einige handwerkliche Arbeiten im Bereich Logistik. Es ist überhaupt nicht das, was ich gelernt habe. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass ich überhaupt noch arbeiten kann und darf.

Das geht dich gar nichts an, das hat dich nichts zu kümmern!

Neben meinen Aufgaben, interessiert mich auch, wie ich sie einfacher bewältigen kann. Was kann ich tun, damit meine Vorgesetzten und unsere Abteilung eine bessere Qualität abliefern können?

Dazu frage und hinterfrage ich (im konstruktiven Sinne) manchmal auch Prozessabläufe und Arbeitsmittel. Es passiert auch, dass ich dabei über das Ziel hinaus schiesse. Aber entgegen der Behauptung meiner mobbenden Chefin, ich sei lernresistent, weiss ich heute, wie ich (diplomatisch) besser vorwärtskomme.

Wenn ich einen Auftrag um einiges einfacher abwickeln könnte und mir das mit der Argumentation "Es ist so und fertig!" verboten wird, habe ich schon meine Fragen. Ist es so abwegig, dass jemand (ich) einen Entscheid besser mittragen kann, wenn er auch nachvollziehbar ist und verstanden werden kann?

Wenn ich an einem Aussenstandort mit der Arbeit fertig bin, gehe ich zum nächsten und warte nicht, bis die Zeit um ist. Der Hinweis, dass ich dazubleiben habe, bis ich gemäss Dienstplan weiterfahren kann, nehme ich zur Kenntnis, mehr aber auch nicht.

Es wird offensichtlich nicht gerne gesehen, wenn ich mich bei der Disposition erkundige, weil ich den Ansprechpartner für einen Auftrag nicht finden kann. Dass er auf einem anderen Dienstplan aufgeführt war und ich nicht geschaut habe, ist ganz klar mein Fehler. Aber den indirekten Vorwurf: "Mach deinen Teil der Arbeit, der andere hat dich nicht zu kümmern", empfinde ich als unfair.

Warum können Teamleiter häufig nicht damit umgehen, wenn Mitarbeitende sich anders verhalten, mitdenken und sich nicht wie sture Befehlsempfänger verhalten? In den Kreativabteilungen werden solche Eigenschaften gefordert und gefördert. Aber bei "einfacheren" Anforderungsprofilen, wird das teilweise gar nicht gerne gesehen. 

Einfache Arbeiter für einfache Arbeiten

Es braucht keinen Universitätsabschluss, um eine Toilette zu putzen. Eine Ausbildung zum Gebäudereiniger ist da hilfreicher. Wahrscheinlich wird sich auch selten jemand mit einem Medizinstudium als Reinigungsfachkraft bewerben. Die meisten Menschen, die "putzen", sind daher irgendwo im handwerklichen Bereich gross geworden. Was passiert aber, wenn sich trotzdem jemand mit einer anderen Ausbildung auf einen Job in der Reinigung bewirbt?

Früher war das nahezu unmöglich, heute schon eher. Bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, sind gerade Menschen über 50 genötigt, jede erdenkliche Beschäftigung anzunehmen. Ich wurde z. B. aus meinem Job im technischen Support rausgeekelt und rausgemobbt. Nun arbeite ich in genau dieser Abteilung, für die ich vorher als Fachspezialist zuständig war.

So kommt es öfters zu Situationen, in denen ich die Ursache der Störung erkenne und diese so melde. Eigentlich wäre die naheliegende Antwort: "Danke für die Meldung, wir werden das Problem beheben." Stattdessen sagt man mir: "Du bist nicht mehr im Support, du hast nicht die Kompetenz, eine Fehleranalyse abzugeben."

Je nach GAV (Gesamtarbeitsvertrag) sind Kündigungen nur unter bestimmten Umständen möglich. Darum entscheidet sich die Abteilungsleitung, eine Reorganisation durchzuführen. Alle müssen sich auf ihre Jobs neu bewerben und wer man nicht mag, fliegt raus. Falls du nicht auf deine angestammte Stelle gewählt wirst, musst du annehmen, was noch übrig bleibt. So kann es vorkommen, dass in grösseren (bundesnahen) Betrieben Menschen Aufgaben erfüllen, die nicht ihren Fähigkeiten entsprechen. 

Ich denke, also bin ich

Warum haben Menschen (wie ich) mit einer Ausbildung, die nicht der Arbeit entspricht, Mühe ihren Platz in einem neuen Arbeitsteam zu finden? Warum werden Rückmeldungen, Ideen und Vorschläge als Angriff empfunden? Ich glaube nicht, dass jemand an einer neuen Arbeitsstelle als Erstes das ganze Team auf den Kopf stellen will. Wie weit wird mir ein Platz freigemacht oder mir zugeteilt? Muss ich mir das Vertrauen der Teamkolleg*innen erst erarbeiten oder sind sie bereit, mich einfach so wie ich bin in ihre Gruppe aufzunehmen?

Ich bin hochempfindsam und nehme meine Umgebung und Menschen viel intensiver wahr. Meine Filter und Abgrenzung funktioniert nicht wirklich gut. Darum hinterfrage ich mich ständig, ob meine Eindrücke stimmen, oder ob ich sie zu stark verarbeite. Früher hat mich nie gekümmert, wie ich auf andere wirke, heute tue ich das meistens sehr bewusst. Ich will doch nur von allen geliebt werden. Hoffentlich falle ich in der Gruppe nicht auf, weder positiv noch negativ. 

Durch meine Gedanken, wie ich mich selbst optimieren kann, überlege ich mir auch, wie ich meine Arbeitsabläufe optimieren kann. Das kommt auch von meinem analytischen und vernetzten Denken. Etwas, was bei manchen Stellen explizit erwünscht ist und bei anderen weniger vorkommt. Wenn Menschen damit weniger umgehen können, kann es zu Sprüchen kommen wie: "Du bist da, um zu Arbeiten und nicht um zu Denken." Aber ich kann nicht aufhören zu denken, sonst bin ich Tod. Ich will mich weiterentwickeln und lernen. Darum werde ich immer über den Tellerrand schauen.

Ich greife doch gar nicht an - oder vielleicht doch?

Dass Menschen nicht mehr in ihren angestammten Berufen, aber trotzdem noch in der gleichen Firma arbeiten, kommt wohl eher in grösseren Betrieben vor. Aber wie kann das gut gehen? Was braucht die Führungsperson, was braucht das Team, welches eine solche Person  "mit höherer Bildung" aufnehmen darf oder muss?

Die klassenlose Gesellschaft ist, mit Ausnahme der israelischen Kibbuze, eine Utopie. Selbst im Kommunismus gab und gibt es höhere und tiefere Angestellte. Das ist heute auch noch so. Berufe, für die es ein Studium braucht, sind besser angesehen und besser bezahlt als das Handwerk. Auch wenn wir es uns vornehmen, wir werden immer in Schubladen denken. 

Mein Teamleiter hat nicht die gleiche Ausbildung wie ich. Kann es sein, dass er sich durch meine Fragen und Rückmeldungen bedrängt oder sogar in seiner Position bedroht fühlt? Ist es möglich, dass er Angst hat, das Gesicht zu verlieren, wenn ich "wage" ausserhalb unserer Abteilungen zu agieren? Meine Mutmassungen sind sehr persönlich und ich weiss nicht, ob und wie ich in fragen soll. Mir liegt es fern, ihm seinen Platz streitig zu machen. Ich will doch nur, dass er, dass unser Team gut dasteht. Dass mir dabei auch mal Fehler passieren, ist wohl eher eine Bestätigung, dass ich mich voll und nur auf meine Aufgaben fokussieren soll. (Wie ein Befehlsempfänger).

Lösungsansätze: Ist es sinnvoll, bei einem neuen Mitarbeitenden eine Vorstellungsrunde im Team durchzuführen? In der kann die neue Person sich, wie sie denkt und fühlt, den anderen näher bringen. Meistens passiert das nur mit der Teamleitung. In einer solchen Situation werde ich zukünftig diese Gelegenheit nutzen, um der Führungsperson zu zeigen, wie ich ticke. Ich werde schon dann von meiner Hochempfindsamkeit sprechen und nicht erst, wenn sie zu einem "Zusammenstoss" führte. 

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